Leonie Bothe: „Das Wissen erweist sogleich seine Relevanz“
„Ich kann den berufsbegleitenden Masterstudiengang Industrielles Produktionsmanagement (IPM) jedem empfehlen, der sich für Prozesse in der Produktion und das Produktionsmanagement tiefergehend interessiert. Es ist ein Universitätsstudium, das Motivation und die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Arbeiten erfordert.
Das eben erst erworbene Wissen erweist im beruflichen Alltag nach dem Präsenzwochenende an der Universität sogleich seine Relevanz“, fasst Leonie Bothe aus dem Talentprogramm Nachwuchsführungskräfte der Philips Medical Systems GmbH in Hamburg ihre Erfahrung mit dem Masterstudiengang IPM zusammen.
„Ich wollte in der Karriere noch ein, zwei Schritte weitergehen“
Nach der Schule, berichtet Leonie Bothe, studierte sie als Mitarbeiterin der Medizintechniksparte von Philips im Dualen System an der Nordakademie Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Abschluss als Bachelor: „Ich arbeitete als Lean Champion, in anderen Unternehmen heißt das auch Change Agent. Meine Aufgabe war es, Verbesserungen in den Prozessen der Produktion gemeinsam mit den Mitarbeitern umzusetzen. Das war für mich eine verantwortungsvolle Aufgabe, aber ich habe schnell festgestellt, dass ich zwar eine tolle Position habe, die mir Spaß macht, aber dass ich in meiner Karriere doch noch ein oder zwei Schritte weiter gehen, dass ich mehr von der Produktion verstehen wollte. Philips ist ein globales Unternehmen, das am teuersten Produktionsstandort der Welt, in einer der teuersten Städte und in einer der teuersten Lagen unmittelbar neben der Hamburger Innenstadt produziert. Das hat natürlich seine Gründe, denn wir wollen das beste Know-How, die beste Technologie und die besten Mitarbeiter gewinnen und einsetzen. In einem Konzern müssen wir kontinuierlich unter Beweis stellen, dass es gerechtfertigt ist, in diesen Standort mit einem tollen Team zu investieren.
Schwerpunkt: Simulation und Digitale Fabrik
Als Wirtschaftsingenieurin bin ich generalistisch aufgestellt, und ich verlangte nach mehr Wissen, um eine Produktion aufbauen zu können. Also suchte ich im Internet und in meinem Netzwerk unter den früheren Kommilitonen nach Unis, die Studiengänge in Produktionsmanagement anbieten. Es gibt solche berufsbegleitenden Studiengänge zum Beispiel in Lüneburg und an der TU Clausthal. Beide Orte liegen näher an Hamburg als Kassel. Aber ein Bekannter hatte gute Erfahrungen als Student an der UNIKIMS gemacht, und er wies mich daraufhin, dass der Masterstudiengang IPM einen Schwerpunkt auf Simulation legt und die Digitale Fabrik, die Univ.-Prof. Dr.-Ing. Sigrid Wenzel vorantreibt. Im Bachelor hatte ich schon einmal vorsichtig in das Thema Simulation reingeschnuppert. Da dachte ich mir: Die UNIKIMS klingt nach dem, was ich mir vorstellen kann. Ich war vom Konzept überzeugt und von der Tatsache, dass es kein reines Fernstudium sein sollte, sondern dass es auch eine Lerngruppe geben sollte, in der ich mich mit Kommilitonen austauschen kann. Ich dachte aber, die Veranstaltungen liefen vorwiegend online. Letztendlich gab es Präsenzveranstaltungen, die einmal im Monat an einem Wochenende in Kassel stattfanden. Wie es sich dann herausstellte, war das für mich richtig gut und extrem wertvoll, denn auch hier habe ich mir ein gutes Netzwerk aufgebaut. Und Kassel liegt von jedem Ort in Deutschland aus ideal. Für mich waren es zehn Minuten zu Fuß zum Bahnhof Altona, und zwei Stunden später war ich in Kassel.
Die Inhalte des Studiums lagen mir mal näher, mal ferner. Aber im Nachhinein erkenne ich, dass es keine Vorlesung gab, die gar keine Relevanz für mich hatte. Auf alle Fälle konnte ich nach jedem Wochenende an der UNIKIMS in Kassel das Wissen im Qualitätsmanagement und in den Problemlösungsmethoden sogleich anwenden. Sehr interessant war auch das Aha-Erlebnis, dass ich viele Methoden aus meinem Alltag schon kannte. Ich arbeite eben in einem großen Konzern, und die Kommilitonen fragten mich etwas ungläubig: Ist das bei Philips wirklich schon so?
Aufnahme ins Talentprogramm
Nach meinem Studium in den Jahren 2016 bis 2020 wurde ich in ein Talentprogramm aufgenommen. Ich verstehe jetzt mehr, und ich kann mehr gestalten. Neben dem Beruf zu studieren funktioniert, wenn du es willst. Du musst das Interesse daran mitbringen. Allein der Wille, im Beruf weiterkommen zu wollen, reicht nicht. In meinem Studienjahrgang war die einzige Frau. Aber das kenne ich schon, als Mitarbeiterin in der Industrie und dann auch noch in einem Mint-Fach. Aber für mich ist das überhaupt kein Thema, dass meine Kollegen ausschließlich Männer sind.
Als Frau in der Männerwelt: Nur Vor- keine Nachteile
Als Frau in der Männerwelt hatte ich bisher niemals Nachteile, sondern nur Vorteile. Alle sind stolz auf einen, viele wollen zeigen: Toll, wir können auch Frau! Es liegt wohl auch daran, dass wir hier prima Kollegen haben und ein internationales Unternehmen sind. Ich treffe hier im Unternehmen durchaus häufiger auf Frauen, von denen einige auch im Talentprogramm sind. Mit ihnen gibt es kein Konkurrenzdenken, sondern der Umgang ist ebenso kollegial wie mit den Männern. Der wichtigste Punkt aber ist, dass man sich etwas zutraut. Und da beobachte ich mehr Männer, die sagen, sie schaffen das, während ich als Frau spüre, dass mir an einigen Stellen manchmal das Selbstbewusstsein fehlt, um einfach so zu sagen: ,Klar schaffe ich das.‘ Es gibt nach meinem Eindruck Männer, die schaffen nur 50 Prozent der erforderlichen Leistung, und trommeln sich dann auf die Brust, während ich mir sagen würde: Nur 50 geschafft, heißt 50 Prozent nicht geschafft. Alle, die ihr Bachelor-Studium in meinem Umfeld abgebrochen haben, waren nur Männer. Frauen haben aus meiner Erfahrung mehr Angst vor dem Scheitern, und sind dann aber letztendlich besser. Bevor ich das Bachelorstudium begonnen habe, dachte ich: ,Das schaffst du nie.‘ Am Ende habe ich es mit einer 1,5 abgeschlossen.
„Ich habe gemerkt: Mathe macht Spaß!“
Als Kind habe ich mit Lego und Barbie gespielt. Mein Papa ist Ingenieur für Elektrotechnik und hat versucht, mich für sein Fach mit einem Elektrobaukasten zu begeistern. Das ist ihm damals nicht wirklich gut gelungen. In der Schule zeigte ich dann auch keine Stärke in Naturwissenschaften, und Mathe ist nie supergut gelaufen. Erst in der Oberstufe habe ich gemerkt: Mathe macht Spaß. Es gab klare Ergebnisse. Das Arbeiten war methodisch und replizierbar. Dennoch war mein erster Studienwunsch klar: Ich entschied mich für Soziologie und Wirtschaftswissenschaften. Im ersten Semester habe ich dann gemerkt, dass Soziologie vor allem aus unendlich langen Texten und viel Theorie bestand. Sie war so unscharf. Die Wirtschaft mit den Zahlen und Modellen war demgegenüber anwendbar und lebensnah. Dann erhielt ich als Werkstudentin bei Philips die Gelegenheit zum berufsbegleitenden Studium im Wirtschaftsingenieurwesen, und ich dachte zunächst, dass schaffe ich nie, weil ich dafür zu wenig Physik und Chemie in der Schule hatte. Aber dann hatte ich dasselbe Erlebnis wie in der Mathematik in der Oberstufe: Es macht Spaß! Ich kann richtig gute Noten schreiben! Ich kann mit den anderen mithalten! Ich habe den Bachelor richtig gut geschafft und dann gewusst, ich will den Master draufbauen.
„Viel hängt von den Lehrern ab“
Ich glaube nicht, dass es mir geholfen hätte, wenn in den Schulen die Kinder nach Geschlechtern getrennt wären, oder wenn ich eine supernerdige Lehrerin in MINT-Fächern gehabt hätte. Allerdings hängt viel von den Lehrern ab, ob sie begeistern können. In der Schule wird einem als Schüler nicht klar, wie deutlich einem ein Mint-Fach den Weg in die spätere Karriere vereinfachen kann. Es hilft nicht, wenn man sagt, für technische Fächer sind tolle Fähigkeiten die Voraussetzung, sondern die Botschaft sollte lauten: Wenn du Spaß daran hast, dann schaffst du es auch!
Aber was einem in der Jugend fehlt, ist die Masse an positiven Vorbildern von Frauen, die es in technischen Fächern geschafft haben. Das muss sich auswachsen. Die erfolgreiche Ingenieurin und Physikerin muss aus dem Status des „Rosa Elefanten“ herauswachsen, der die bestaunenswerte Ausnahme bildet.
Mein Vater ist heute, glaube ich, ganz stolz auf mich, dass ich doch noch Gefallen an seiner Welt gefunden habe und mit ihm nun auf Augenhöhe bin. Er ist ein Mann, und er war der erste, der mir Mut machen wollte.“