Daniela Chaves: "Ingenieure sind mehr als Techniker, sie sind Problemlöser"

Die IPM-Absolventin ermutigt zum Perspektivwechsel

„Ingenieure“, sagt Daniela Chaves, „werden zu schnell reduziert auf ihre Rolle als Techniker. Eigentlich sind sie ‚Problemlöser‘. Und viele Probleme sind nicht allein technischer, sondern menschlicher oder zwischenmenschlicher Natur. Es bedarf nur eines Perspektivwechsels.

Eine Hausfrau, die jederzeit alles zusammenhalten muss, die Organisation und Koordination des Familienlebens, die des Coaches des ganzen Teams, die des Personalentwicklers und des Finanzchefs eines kleinen Unternehmens ist, diese Frau setzt in ihrem Alltag viele Fähigkeiten eines*r Ingenieurs*in ein. Und diesen ganzheitlichen Blick auf alle Aspekte der Produktion hat mir der berufsbegleitende Masterstudiengang Industrielles Produktionsmanagement an der UNIKIMS, der Managementschool der Universität Kassel, vermittelt.“

Daniela Chaves stammt aus São Paulo in Brasilien und aus einer Familie von Ingenieuren. Der Großvater war Ingenieur, der Vater ist es und vier ihrer Onkel sind es. Aber so hat es Daniela Chaves lange nicht gesehen: „Ich habe meinen Vater als Unternehmer erlebt, als kommunikativen Menschen, der mit seiner Liebe zur Produktion diese mit und für andere organisiert. Mein Vater ist total sozialkompetent, und ich habe seine Fähigkeiten nie mit dem Beruf eines*r Ingenieurs*in assoziiert. Aber all seine Kompetenzen, mit Menschen umzugehen, und seine Liebe, systematisch zu denken, habe ich später bei mir wieder erkannt.“

Daniela Chaves

„Ich wollte wissen, wie die Dinge funktionieren“

Als Kind wurde Daniela Chaves mit ihren Brüdern „sehr gleich erzogen“. Sie sagt: „Mir wurden totale Freiheiten gelassen, und ich spürte immer die Unterstützung meiner Eltern. Ich habe zwei große Brüder, die spielten mit Autos. Auch ich spielte eher mit Autos, weil ich wissen wollte, wie die Dinge funktionieren. Und mit Lego. Das ist auch heute noch schön.“

Bildung hat in der Familie einen hohen Stellenwert. Als Schülerin besuchte Daniela Chaves eine deutsche Schule. Mit neun Jahren begann sie Deutsch zu lernen, und nach der Schule von 2009 bis 2011 eine Ausbildung bei Dr. Oetker in Brasilien zur Industriekauffrau - an einer Berufsschule nach deutschem Vorbild. Parallel zur Ausbildung erwarb Daniela Chaves die Fachhochschulreife.

Der Studiengang vermittelt den ganzheitlichen Blick

Während der Ausbildung bei Dr. Oetker in Brasilien lernte sie viele interessante Menschen kennen, und die meisten von ihnen hatten etwas gemeinsam: Sie waren Ingenieure. Der Wunsch keimte und reifte, dass Daniela Chaves Wirtschaftsingenieurin werden wollte, und zwar am liebsten in Deutschland, „weil Deutschland einen guten Ruf als Ingenieurland hat. So bin ich nach Deutschland gekommen.“ Der Arbeitgeber ermöglichte der Mitarbeiterin den Wechsel an den Stammsitz in Bielefeld, und die Brasilianerin begann ein „praxisintegriertes Studium“, das an der FH Bielefeld nach 3,5 Jahren mit dem Bachelor abschloss. Ihr Chef sagte ihr anschließend, mit einer Ingenieurin, die nur den Bachelor-Abschluss habe, könne er wenig anfangen. Also suchte Daniela Chaves nach einem Weg, sich abermals zu qualifizieren. Nachdem sie sich im Erststudium auf den Maschinenbau spezialisiert hatte, wollte sie nun ihren generalistischen Blick auf die Prozesse in der Produktion schärfen.

Die Internetsuche nach dem passenden berufsbegleitenden Masterstudiengang führte sie rasch auf die Website der UNIKIMS und dort wiederum auf den Masterstudiengang IPM. Von Beginn an war sich Daniela Chaves sicher, dass sie in diesem Studiengang „auf jeden Fall den ganzheitlichen Blick bekommen“ werde. Die Inhalte und Module passten ebenso, wie die Kombination aus Präsenzphasen, online- und Selbst-Studium. Die Tatsache, dass Kassel und Bielefeld beinahe Nachbarstädte sind, erleichterte die Entscheidung. „Es ist ein sehr praxisbezogener Studiengang, der den Kontakt und Austausch mit anderen Menschen ermöglicht. Ich wollte vor meiner Entscheidung mit anderen Studierenden in Kassel sprechen, und das war möglich. Ich habe die Universität in Kassel besucht, und das war für mich sehr wertvoll. Während des Studiums habe ich mit Dozent:innen und Kommiliton:innen ein Netzwerk geknüpft und viel gelernt. Ich empfehle den Studiengang weiter, auch wenn es nicht immer leicht ist, nach einer Woche Arbeit noch zu studieren. Aber viele, die diesen Studiengang wählen, haben ein Ziel vor Augen, und auch ich habe durch den Studiengang weitere Perspektiven gewonnen.“

Ihre Masterarbeit widmete Daniela Chaves den Fragen von Lean Management und Führung, womit für sie der Aufstieg bei Dr. Oetker begann. Bis Ende 2019 führte sie als Projektleiterin Elemente des Lean Management ganzheitlich im Unternehmen ein und übernahm anschließend die Position als Leiterin Lean Management am Hauptsitz der Firma in Bielefeld.

„Je größer die Diversität, desto vielfältiger sind die Berufe“

Die Tatsache, dass technische Berufe eine Männerdomäne sind, ist für die Brasilianerin ein sehr deutsches Phänomen, das sie aus ihrer Heimat so nicht kennt. „In Brasilien sind viele Abteilungs- und Hauptabteilungsleiterinnen weiblich und insofern Vorbilder. Hier in Deutschland bin ich häufig die einzige Frau in einem Meeting.“ Aber sie erfahre als Frau in ihrem Beruf stets Respekt und Anerkennung durch die Tatsache, dass sie das Ingenieurwissenschaftsstudium absolviert hat. „Es gibt viele Frauen, die mich unterstützt haben, aber meine Vorgesetzten waren meist Männer, die mir Vertrauen entgegengebracht und Türen geöffnet haben. Auch im Studium haben die Freunde und Kommilitonen nie einen Unterschied gemacht, weil ich eine Frau bin.

Wir sollten lernen, über Ingenieure und ihren Beruf anders zu sprechen. Wir stecken die Menschen zu schnell in Schubladen: Wer Mathe kann, der könne auch Physik und dann könne er auch Ingenieur:in werden. Es gibt viele Berufe, die noch kommen werden, und die wir noch gar nicht kennen können. Darum sollten wir uns nicht zu früh festlegen auf eine Richtung im Studium. Und manche Interessen entdecken wir bei uns selbst auch erst im Lauf des Lebens. Wir sollten abstrahieren: Was kann der:die Ingenieur:in? Zusammenhänge erkennen, strukturieren und systematisieren. Und logisch denken. Diese sind keine ausschließlich ,männlichen‘ Fähigkeiten. Jeder Beruf wird vielfältiger und reicher, je größer die Diversität der Menschen ist, die in ihm arbeiten.“