Aline Barros Felix de Sousa: Internationale Erfahrung und Führungsqualifikation
Warum sich die Studentin für das Masterstudium IPM entschieden hat?
Aline Barros Felix de Sousa ist Lean Managerin bei der Hexagon Purus GmbH in Kassel. Das Unternehmen ist ein Pionier in der Herstellung von Typ 4 Hochdruckbehältern für die Speicherung von Wasserstoff und Erdgas in LKW und PKW . In ihrer Heimat Brasilien hat die Managerin von 2007 bis 2012 Chemieingenieurwesen studiert und seither Berufserfahrung rund um den Globus gesammelt. Heute, mit Anfang 30, steht sie an der Universität Kassel kurz vor dem Abschluss ihres zweiten Studienabschlusses.
„Ja, ich mache dieses Studium auch mit dem Ziel, mich für Führungspositionen zu qualifizieren und mich besser auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft aufzustellen“, beschreibt sie ihre Motivation. Die junge Ingenieurin qualifiziert sich berufsbegleitend zum Master of Science in Industriellem Produktionsmanagement (IPM), „denn in dem Studium des Chemieingenieurwesens lernte ich sehr viel Theorie und Technik, und für ein besseres ganzheitliches Verständnis der Prozesse in der Industrie, die ich in leitenden Positionen in meinem bisherigen Berufsleben kontinuierlich verbessere, möchte ich auch Managementaspekte wie Controlling, Personalführung und Finanzwesen beherrschen. All diese Aspekte vermittelt der Masterstudiengang IPM, der von der UNIKIMS, der Managementschool der Universität Kassel, organisiert und angeboten wird.“
“Ich beschäftige mich gerne mit mathematischen Problemen”
Aline Barros Felix de Sousa stammt aus Belo Horizonte. Ihre Mutter ist Ärztin, der Vater war Netzwerk- und Telekommunikationsingenieur, ihr großer Bruder wurde Softwareentwickler, und in der Schule waren Mathematik und Chemie stets ihre Lieblingsfächer. „Ich beschäftige mich gerne mit mathematischen Problemen, und wenn man sie lösen kann, dann gibt das ein gutes Gefühl, das man kriegt“, sagt Aline Barros Felix de Sousa.
Ihr Vater hatte die Lust der Tochter an Zahlen schon früh erkannt, war ihr ein Freund und Spielkamerad, indem er ihre Leidenschaft für Mathematik im Lösen von Aufgaben mit ihr teilte und ihr das Sudoku-Spiel nahe brachte. In der Schule kamen die Klassenkameraden zu Aline Barros Felix de Sousa und baten um Rat: „Wie machst Du das?“ Als die Schulzeit zu Ende ging, dachte Aline Barros Felix de Sousa auch an ein Medizinstudium, wie es die Mutter absolviert hatte, „aber die Mathematik hat mir darin gefehlt“.
In Brasilien streben auch Frauen in technische Berufe
Die aufstrebende Öl- und Rohstoffindustrie in Brasilien, schildert die Ingenieurin, habe den Bedarf an naturwissenschaftlich-technisch ausgebildetem Nachwuchs geweckt und nicht nur Männer, sondern ebenso Frauen angezogen, obschon diese auch in Brasilien in technischen Berufen in der Minderheit seien. Gleichwohl ist Aline Barros Felix de Sousa selbst im brasilianischen Bergbau, der in Deutschland traditionell eine Männerdomäne ist, anderen Frauen in Leitungspositionen von Bergwerken begegnet.
„Ich hatte niemals Probleme in der Arbeitswelt von Männern“
Nach dem Studium des Ingenieurwesens, das bis zum Bachelorabschluss in Brasilien fünf Jahre in Anspruch nimmt, ging die junge Frau 2013 zu Vesuvius, einem international tätigen Hersteller von feuerfestem Material für die Stahlindustrie, und wurde sogleich in ein Trainee-Programm aufgenommen, das sie wiederum in einem Austauschprogramm nach Indien führte. Drei junge Brasilianer gingen nach Indien, und drei Inder nach Brasilien. In Indien war Aline Barros Felix de Sousa die einzige Frau in der Produktion: „Nein, ich hatte niemals und auch in Indien keine Probleme in der Arbeitswelt von Männern. Aber Indien ist ein Land mit einer anderen Kultur. In der Gleichheit der Geschlechter ist es nicht so weit wie die westliche Kultur. Die Produktionsstätten der Stahlindustrie sind häufig abseits großer Städte, wo es keine Hotels mit einem entsprechenden Standard gibt, sondern nur Pensionen zum Übernachten. Das macht es schwer für Frauen. Ich traf einmal eine Frau, die fuhr allein mit dem Motorrad durch Indien. Ich hätte mich das in diesem Land als Frau nicht getraut. Auch in anderen asiatischen Ländern ist es im Vergleich zu westlichen Ländern schwer für Frauen. Ich wurde als Frau in manchen Situationen zum Beispiel nicht gegrüßt. Das ist für die Kultur in einem internationalen Unternehmen, in dem Frauen ganz selbstverständlich in technischen Berufen arbeiten, schon sehr ungewöhnlich. Für meinen Chef in Indien war ich die erste Frau im Team, und das war für uns alle eine sehr positive Erfahrung. Er hat mich am Ende meiner Austauschprogramms sogar zum Abendessen mit ihm und seiner Familie eingeladen und mir berichtet, dass er nun bereit sei, mehr Frauen in sein Team aufzunehmen. Wir Frauen müssen manchmal härter arbeiten, um zu zeigen, dass wir, egal wo auch immer, einen guten Job machen können. Der Aufwand lohnt sich aber, denn nur so können wir die Meinung von Personen ändern, die mit dieser Mentalität nicht erzogen wurden.“
Von Brasilien über Indien nach Deutschland
Nach der erfolgreichen Teilnahme am Traineeprogramm und der Rückkehr nach Brasilien erhielt Aline Barros Felix de Sousa die Gelegenheit zu einer Initiativbewerbung auf eine andere Position im Unternehmen. Sie nutzte ihre Chance, um ihrem Mann näher zu kommen, den sie in Indien kennengelernt hatte. Es war ein Deutscher, der im Volkswagenkonzern im Werk Kassel arbeitete. Von Mitte 2014 an baute die Brasilianerin in einem Unternehmen, das Vesuvius in Mühlheim an der Ruhr übernommen hatte, das Produktionssystem nach dem Lean Standard um. 2019 wechselte sie zu Hexagon Purus nach Kassel, denn neben Mathematik, Chemie und Verantwortung in der Produktion gibt es noch das andere Lieblingsthema in ihrem Leben.
„Das Masterstudium hilft, Prozesse ganzheitlich zu verstehen“
Einmal in der Region Kassel angekommen lagen bei der Wahl des berufsbegleitenden Masterstudiums in IPM auch die Universität Kassel und die UNIKIMS sehr nahe. „Ich empfehle den Studiengang weiter, er hat mir auf jeden Fall geholfen, die Prozesse ganzheitlicher zu verstehen, aber ich wünschte mir die Inhalte noch anwendungsorientierter und enger verbunden mit Beispielen der praktischen Umsetzung in Unternehmen“, sagt Aline Barros Felix de Sousa.
Schule und Hochschule können von Videos lernen
Im Internet fand sie Videos, die Wissen aus der Schule und aus den verschiedenen Phasen der akademischen Ausbildung hervorragend vermitteln: „Deshalb habe ich mich gefragt, was die Rolle der Schule in der Zukunft sein sollte, da die Theorie nun leicht im Internet verfügbar ist. Die Schulen sollten aus meiner Sicht die Schüler für die Welt vorbereiten, indem sie ihnen zeigt, wie die Theorie in der Praxis angewendet wird. Auch Themen wie Politik, Soziales sowie kritisches und logisches Denken sollen aus meiner Sicht mehr Bedeutung in der Schule erhalten.“
„Wir sollten mehr von Frauen wissen, die nicht in MINT-Berufe gehen“
Aline Barros Felix de Sousa räumt ein: „ich weiß nicht, woran es liegt, dass in Deutschland weniger Frauen in technischen Berufen arbeiten als in Brasilien. Als Frau in einem von Männern dominierten Beruf hatte ich – abgesehen von den grundsätzlichen Unterschieden zwischen westlichen und östlichen Kulturen - nie ein Problem, und ich spüre keine Vorurteile. Ich weiß auch nicht, ob es mit der Erziehung zu tun hat, dass die Mädchen angeblich mit Puppen spielen und die Jungs mit Autos und Lastwagen. Meine Eltern haben meinen Bruder und mich nicht so erzogen, und ich habe nie von meinen Eltern gehört, mein Beruf sei kein Frauenberuf. Doch vielleicht sollten auch Frauen wie ich mehr tätig sein, um ihre positiven Erfahrungen weiterzugeben. Vielleicht sollten wir auch mehr von jenen jungen Frauen wissen, die sie sich nicht für ein Studium im MINT-Bereich interessieren. Vielleicht haben viele von diesen Frauen eine falsche Vorstellung davon, was der Job von Ingenieuren ist. Wenn uns klar wird, was diese Frauen von einem technischen Beruf abhält, können wir gezielte Beispiele darstellen, die sie ermutigen, diesen Karriereweg zu verfolgen.“