Prokrastination: Schluss mit „Aufschieberitis“
Eine unliebsame Aufgabe auf später verschieben – das kennen vermutlich viele. Wird dieses Aufschieben chronisch und beeinträchtigt das Wohlbefinden, spricht man von Prokrastination und somit einer Art von Arbeitsstörung.
Was hat es mit Prokrastination auf sich?
Prokrastination ist eine Störung der Selbststeuerung, die ein pathologisches Aufschiebe-Verhalten beschreibt. Obwohl eigentlich genug Zeit ist eine Aufgabe zu erledigen, wird diese durch Tätigkeiten mit niedrigerer Priorität ersetzt.
Ein klassisches Beispiel: Statt an der Hausarbeit zu schreiben, äußert sich die Prokrastination darin, die Küche auf Hochglanz zu polieren, den Schreibtisch neu zu sortieren oder am Handy zu sitzen. Somit rückt die Abgabefrist immer näher, Aufgaben werden nicht erledigt, Stress entsteht und im schlimmsten Fall wird die Hausarbeit nicht abgegeben.
Wodurch entsteht Prokrastination?
Studien legen nahe, dass bis zu 14 Prozent der Bevölkerung prokrastiniert – besonders häufig sind Studierende betroffen. Es steht im Zusammenhang mit ausbleibendem Studienerfolg und sogar Studienabbrüchen. Dabei entsteht Prokrastination nicht von heute auf morgen und kann verschiedene Ursachen haben.
Es handelt sich um ein erlerntes Verhalten, das mit Planungs- und Organisationsschwierigkeiten einher geht. Gerade ein Studium fordere aber ein hohes Maß an Selbstorganisation, erklärt Wirtschaftspsychologe Jannik Zimmermann, der im Master-Studiengang COS selbst Studierende bei ihren Abschlussarbeiten betreut und unter anderem über Gesundheit in der Arbeitswelt berät.
Umstände in denen Menschen besonders frei und selbstständig handeln müssen, begünstigen ein solches Aufschiebeverhalten, erklärt er. Prokrastinieren kann außerdem hervorgerufen werden durch individuelle Faktoren wie Perfektionismus oder Ängste, zum Beispiel vor dem Versagen bei Aufgaben oder vor Bewertungen. Aber auch situative Faktoren wie Ablenkung z. B. durch die Geräuschkulisse oder das Smartphone, fehlende Fristen oder zu komplexe Aufgaben wirken sich negativ aus.
In manchen Fällen kann Prokrastination auch mit psychischen Krankheiten wie Depressionen oder ADHS zusammenhängen. In diesen Fällen ist es wichtig das Störungsbild im Zusammenhang mit den anderen Erkrankungen zu behandeln.
Was sind die Folgen von Prokrastination?
Krankhaft wird Aufschieben beziehungsweise Prokrastination, wenn das Sozialleben, die physische oder psychische Gesundheit negativ beeinflusst wird. Zu einer Störung wird Prokrastinieren laut Zimmermann vor allem durch diesen Leidensdruck. Mögliche Auswirkungen sind
- Stress
- Schlafstörungen und Unruhe
- Angst und Panik
- Sozialer Rückzug
- Ausbleibender akademischer oder beruflicher Erfolg
- Verringertes Selbstwertgefühl
- Kopfschmerzen
- Magen-Darm-Probleme
- Appetitlosigkeit
Wer das Problem erkennt und angehen möchte, sollte jedoch auf Druck verzichten, rät Zimmermann. Prokrastination sei ein erlerntes Verhalten, es brauche stattdessen Alternativhandlungen, um neue Gewohnheiten zu etablieren. Er betont: „Es geht darum das Arbeitsverhalten nachhaltig umzustrukturieren, um langfristig eine tragfähige Lösung zu finden.“
Mit diesen 7 Tipps Prokrastination überwinden
Wer seine „Aufschieberitis“ loswerden möchte, sollte sich vor allem Routinen schaffen und effektive Planungstechniken erlernen. Wichtig sei es Techniken zu finden, die für die Studierenden persönlich Sinn ergeben. „Was funktioniert ist individuell. Wichtig ist es zu gucken, was passt für mich selbst und ziehe ich daraus einen Vorteil“, so Zimmermann. Einige Beispiele und Tipps finden Sie hier:
1. Rituale schaffen, um in einen „Arbeitsmodus“ zukommen
Es kann helfen Körper und Gehirn zu signalisieren: Jetzt beginn gleich eine Arbeitsphase. Das kann beispielweise gelingen, indem man feste Rituale vor Beginn der Bearbeitung einführt. Das könnten kleine Gesten sein wie zum Beispiel durchzulüften, aber auch einen bestimmten Ort aufzusuchen wie den Schreibtisch, ein Café oder die Bibliothek.
2. Ordnung halten
Um im Kopf ruhe zu schaffen, kann es hilfreich sein den Arbeitsplatz und den Laptop vor- oder nach der Arbeitsphase aufzuräumen. Manche profitieren außerdem von Ordnungshilfen wie Ablagen oder Post-ist, um der Prokrastination entgegenzuwirken.
3. Detaillierte Aufgabenplanung
Gerade wenn die Aufgabe komplex ist, hilft es sie in mehrere kleine Unteraufgaben zu gliedern. Statt einem „Berg an Arbeit“, der unmöglich zu bewältigen scheint, entstehen Aufgaben, die sich schneller abschließen lassen. Das ermöglicht kleine Erfolgserlebnisse, die wie eine Belohnung auf das Gehirn wirken.
4. Genaue Zeiteinteilung
Ganz genau festlegen, wie lange eine Aufgabe dauern darf und wann damit begonnen werden soll, kann dabei helfen Prokrastination vorzubeugen.
5. Ruhezeiten einplanen
Wichtig sind heilsame Pausen, in denen kein schlechtes Gewissen entsteht. Wer sich Ruhezeiten einplant, verhindert dass sich die Gedanken ständig um das Aufschieben nicht erledigter Aufgaben drehen. Dabei können auch Planungstechniken wie beispielsweise die Pomodoro-Methode helfen. Es handelt sich dabei um eine Zeitmanagementtechnik, die Zeit in Arbeits- und Pausenphasen unterteilt.
6. Realistische Ziele festlegen
Ganz entscheidend: Die gesteckten Ziele müssen realistisch und erreichbar sein, sonst wachsen Frust und Überforderung.
7. Plansicherheit erhöhen
Gerade für Menschen, die zu Prokrastination neigen, lohnen sich sogenannte Wenn-Dann-Pläne. Dabei handelt es sich um eine Strategie, die Mental Load verringern kann. Ein Wenn-Dann-Plan formuliert detailliert das Verhalten in bestimmten Situationen; „Wenn x eintritt, mache ich y“. Das kann dabei helfen, nicht in schlechte Gewohnheiten zurückzufallen.
Wo finde Ich Hilfe?
Studierenden, die negativen Konsequenzen in Folge des Aufschiebens erfahren, rät Zimmermann professionelle Hilfe zu suchen. „Wenn ich selbst das Problem bin, ist es schwer von alleine wieder da rauszukommen“, erklärt der Wirtschaftspsychologe. Niedrigschwellige Hilfsangebote für Studierende gibt es beispielsweise bei der psychologischen Beratung des Studierendeswerks Kassel.
Quellen:
Prokrastinationsselbsttest der Universität Münster
Day, V., Mensink, D., & O’Sullivan, M. (2000). Patterns of Academic Procrastination. Journal of College Reading and Learning, 30(2), 120–134. https://doi.org/10.1080/10790195.2000.10850090
Höcker, A., Engberding, M., Beißner, J., & Rist, F. (2009). Reduktion von Prokrastination: Module zum pünktlichen Beginnen und realistischen Planen. Verhaltenstherapie, 19(1), 28-32. https://doi.org/10.1159/000202339
Derwahl, L., Topalidou, C., Dilba, P., Buchholz, I., Strauß, B., & Gumz, A. (2024). Der Zusammenhang von Persönlichkeitsstruktur, Burnout und Prokrastination bei Psychologie-und Medizinstudierenden unter Einbeziehung von sozialer Unterstützung und Entscheidungsspielraum im Studium. PPmP-Psychotherapie· Psychosomatik· Medizinische Psychologie, 74(01), 17-24. https://doi.org/10.1055/a-2179-3202
Grunschel, C. et al. (2021). Prokrastination als Risikofaktor für den Abbruch des Studiums: eine motivations- und handlungsregulatorische Perspektive. In: Neugebauer, M., Daniel, HD., Wolter, A. (eds) Studienerfolg und Studienabbruch. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32892-4_3