Gowshiga Gowreeswaran: „Für mich gehört der Master dazu“

„Als Führungskraft bilde ich eine Schnittstelle. Da ist es wichtig zu wissen, wie angrenzende Abteilungen arbeiten und Kernprozesse funktionieren. Was macht der Einkauf? Wie werden Prototypen entwickelt? Wie setze ich Diskussionen in Gang, wenn eine Situation festgefahren ist? Ich benötige Wissen, das ich zwar nicht direkt anwende, aber auf das ich zugreifen kann, um Prozesse zu verstehen, umzusetzen und auch zu hinterfragen.

Im berufsbegleitenden Masterstudiengang Industrielles Produktionsmanagement (IPM) der UNIKIMS, der Managementschool der Universität Kassel, geht es genau um die Top-Themen, die ich brauche“, sagt Gowshiga Gowreeswaran, Leiterin für Lager und Logistik bei Gebhardt Fördertechnik GmbH.

Umzug des Lagers bei laufender Produktion

Das Jobangebot zum Berufseinstieg bekam sie schon, während sie im März 2018 begann, ihre Bachelorarbeit bei GEBHARDT zu schreiben. Das Studium in Produktion und Prozessmanagement hatte sie zuvor an der Hochschule Heilbronn aufgenommen. GEBHARDT stattet namhafte Unternehmen wie flaconi, Weidmüller und Zalando mit seiner Lager- und Fördertechnik aus. Gowshiga Gowreeswaran war in der Abschlussarbeit die Aufgabe gestellt, den Umzug des alten Lagers des Maschinenbauers in ein neues Zentrallager während der laufenden Produktion und ohne Unterbrechung der Produktionsversorgung zu organisieren. Für den Transformationsprozess im laufenden Betrieb hatte die sie ein halbes Jahr Zeit. Schon nach vier Monaten, im Juni 2018, unterbreitete ihr der Arbeitgeber das Angebot, die Leitung der Logistik und des neuen Lagers zu übernehmen.

„Wir diskutieren an der UNIKIMS genau meine Themen“

Nach einer kurzen Bedenkzeit sagte Gowshiga Gowreeswaran zu und setzte sich damit ein neues Ziel: „Ein Bachelorabschluss kann einen befähigen zu arbeiten, aber für mich gehört der Master dazu. Ich stellte mir die Frage: Mache ich meinen Master und arbeite danach über mehrere Jahre auf eine Position im Management hin, oder nehme ich diese Stelle an und mache dann einen berufsbegleitenden Master? Ich entschloss mich, ein bis zwei Jahre in der neuen Position zu arbeiten und dann ein berufsbegleitendes Masterstudium zu beginnen. Mir war aber von vornherein klar, dass ich in meiner Position meine Arbeitszeit nicht reduzieren kann, und es dadurch noch mal ein Stückchen härter werden wird. Zudem wollte ich nicht nur online studieren, sondern auch gemeinsam mit Menschen. Nach etwa 1,5 Jahren wurde ich daran erinnert, dass ich meinen Master noch machen wollte und suchte also nach einem Studiengang mit Präsenzphasen am Wochenende, welcher sich im Schwerpunkt mit Produktion und Logistik befasste und nicht ausschließlich mit Management-Fächern. Damit stieß ich schnell auf das Angebot der UNIKIMS. Die Präsenzphasen an den Wochenenden und die Studieninhalte passten zu meinen Anforderungen und dem machbaren Pensum. Wir diskutieren im Studium genau meine Themen wie die Digitalisierung und die Vernetzung der Logistik und Produktion sowie zum Beispiel die Schnittstelle von Roboter und Mensch. Die Inhalte machen viel Spaß. Die Professoren haben fundiertes Fach-Know-how und Wissen aus der Praxis. Aufgrund der Pandemie studieren wir allerdings nur online und die Gemeinschaft sowie den Austausch mit anderen vermisse ich. Aber mit dem Corona-Virus konnte ja keiner planen, und ich kann das berufsbegleitende Masterstudium IPM an der UNIKIMS auf jeden Fall empfehlen.“

Offen für Neues und stark motiviert

Wenn Gowshiga Gowreeswaran auf ihren Karriereweg zurückblickt, haben sie Umstände, die sie nicht beeinflussen konnte, ihre Offenheit für Neues und ihre starke Eigenmotivation zum Erfolg geführt. Unter die Kategorie des Zufalls oder der Fügung fällt die Umstellung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre in Baden-Württemberg. Der Schülerin wurde ein Jahr geschenkt und eine Entscheidung abverlangt. Denn neben der Möglichkeit, eine dritte Fremdsprache zu erlernen, kam mit der Verkürzung der Schulzeit in der achten Klasse die Möglichkeit hinzu, statt der Sprache das neue Fach Naturwissenschaft- und Technik, einen Mix aus Biologie, Chemie und Physik zu wählen. Gowshiga Gowreeswaran erinnert sich: „Ich weiß nicht, ob ich den Mix freiwillig gewählt hätte, aber nun wurde das Fach angeboten, und ich entschied mich dafür, obwohl ich mich eigentlich mehr für den Sprachtyp hielt. Ich merkte, dass mir Chemie nicht lag und ich mich auch erst mit Physik anfreunden musste. Ich hatte Physik bis zum Abitur und Biologie als Leistungskurs. Dann stellte sich mir die Frage, was ich nach dem Abitur mache. Ich dachte an Physik und Biologie für das Lehramt, aber dann fürchtete ich, dass es ein Berufsleben ohne Abwechslung werden würde. Ich brauchte mir nur meine Lehrer anzusehen. Die hatten nach ein paar Jahren alle keine Lust mehr. Ich absolvierte also ein Praktikum bei einem Personalvermittler für Akademiker und war bei den Interviews der Kandidaten aus dem Ingenieurwesen und der BWL dabei, und da entschied ich mich, dass ich Wirtschaftsingenieur werden will. Zunächst war mein erstes Studienfach an der Hochschule Heilbronn in Künzelsau zu elektrolastig, aber dann wechselte ich zu Produktion und Prozessmanagement in Heilbronn selbst. Ich hatte genau das gefunden, was zu mir passt. Wie wird aus einem Rohblech eine Autotür? Das ist doch spannend! Eine Tür, die nachher auch passgenau an mein Auto passt! Mein sechstes Semester, ein Praxissemester, absolvierte ich bei Audi in der Prozessoptimierung Montage des A 8. Ich wäre gerne in der Automotive-Branche und bei Audi geblieben, aber dann kam der Dieselskandal. So kam ich zu GEBHARDT und bekam meine Chance.

„Ich habe wegen meines Geschlechts nie Ablehnung erfahren“

Ich habe es mir gut überlegt, ob ich diese Chance annehmen und nach der Bachelorarbeit als Führungskraft starte – so jung wie ich bin, als Frau in einer Männerwelt und mit Migrationshintergrund. Ich habe tamilische Wurzeln aus Sri Lanka, aber um ehrlich zu sein, war Letzteres in Bezug auf die Karriere nie ein Problem. Die beiden anderen Fragen, jung und eine Frau haben sich auch gut gelöst. Ich kannte bereits alle Mitarbeiter noch aus der Zeit meiner Bachelorarbeit und kenne die Arbeit, die sie machen. Mit meiner Art und meinem Auftreten kam ich mit allen sehr gut zurecht. Ich habe wegen meines Geschlechts nie Ablehnung erfahren, weil ich keines der Klischees bediene, und ich es mir auch nicht nachsagen lassen möchte. Ablehnung kommt erst, wenn man sich als inkompetent erweist – und das würde einem Mann genauso passieren. Die Kernfrage gilt der Kompetenz und der Fähigkeit eines jeden Einzelnen. Die Frage, ob Technik und Frau oder Technik und Mann besser funktionieren, hat sich mir nie gestellt. Im Bachelor-Studium hatte ich zwar schon das Gefühl, dass es meine männlichen Kommilitonen manchmal schneller begriffen haben. Aber die hatten ja vorher schon alle eine technische Ausbildung zum Beispiel als Industriemechaniker absolviert. Mir fehlte eine solche Ausbildung, und würde ich alles nochmal entscheiden können, würde ich auch zuerst eine technische Ausbildung machen. Ich musste mich damals doppelt motivieren.

„Jedem und jeder steht alles offen“

Ich wusste, dass ein technisches Studium hart sein wird, und obendrein wollte ich besser sein als die Jungs, und das war mein Antrieb. Wenn es um Frauen in technischen Berufen geht, dann sind die Frauen das Hauptproblem und nicht die Männer. Da bin ich Antifeministin. Jedem und jeder steht alles offen, man muss es nur wollen und sich nicht mental durch Klischees der Arbeitswelt blockieren. Ich sage: Traut Euch doch! Wenn ein Mädchen oder Junge Interesse an einem technischen Beruf hat, dann erfordert das die Courage, sich am Ausbildungsmarkt schlau zu machen und den richtigen Studiengang auszuwählen und auch alles dafür zu geben. Ein BWL- oder Sozialstudium unterscheidet sich meiner Meinung nach von einem technischen Studium. Für ein technisches Studium muss der Kopf dafür ausgelegt sein, ein System zu verstehen und die draus resultierenden Erkenntnisse auf andere Probleme und damit auf die Lösungsfindung zu übertragen. Und das gilt für beide Geschlechter. Das bedeutet aber nicht, dass man es nicht auch Lernen kann. Ob das mit der Erziehung zu tun hat, weiß ich nicht. Ich wurde nicht zu Technikaffinität erzogen, aber so, dass mir meine Berufswahl immer offenstand. Es ist in der Öffentlichkeit nicht transparent genug, welche Facetten ein technisches Studium bietet. Man denkt dann gleich an Nerds und an Maschinenbauer. Es wird nicht richtig kommuniziert, dass jeder, der an Technik Interesse hat, auch etwas Passendes findet.“